Leser Fragen – Cat antwortet

Bist du einsam?

Nein, eigentlich bin ich nie einsam – ehrlich gesagt wünsche ich mir manchmal, ich hätte ein bisschen mehr Zeit für mich selbst. Aber durch das ständige Hin- und Herfahren und Schlafen in Backpacker-Unterkünften trifft man immer und immer wieder auf Gleichgesinnte – effektiv war ich bis jetzt vielleicht 5 Tage komplett allein. Es gab eine einzige Situation, da hätte ich gerne eine vertraute Person um mich gehabt, und zwar in Sumatra, als mich eine Lebensmittelvergiftung niedergestreckt hat. Ich saß auf Pulau Weh, am Ort Uleleh, in der Unterkunft Olala. Welch grandiose, vertrauenserweckende Location für gesundheitliche Probleme jeglicher Art. Hier ging die ganze Scheiße los. Ich hatte entsetzliche Schmerzen und war mir absolut sicher, dass mein Unterleib jeden Moment explodiert und ich zeitgleich zwei kleine Kinderlein gebäre. Der Schweiß ist mir in Strömen runtergelaufen und ich konnte überhaupt nicht einschätzen, was der Ursprung dieses entsetzlichen Schmerzes ist. Alles Mögliche habe ich mir ausgemalt, Blindarmdurchbruch, Organversagen, ich weiß es nicht. Und warum ausgerechnet an diesem Ort? Hätte es vielleicht in einer Großstadt passieren können und nicht auf einer Insel mit Robinson-Crusoe-Flair?

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Da habe, ich als ich nachts alleine in meiner Hütte lag und vor Schmerzen fast geweint hab, tatsächlich den Teufel an die Wand gemalt. Gut, das wars jetzt, tschüss, dachte ich mir. Erschwerend kam auch noch dazu, dass wie aus dem nichts meine ganze Hütte zum Wackeln angefangen hat- in einem Land, das ständig von Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Tsunamis geplagt wird, hat das gerade noch gefehlt. 10 Minuten lag ich schwitzend in meinem Bett, des zeitnahen Todes fast sicher. Irgendwann hatte ich mich aufgerafft, um wenigstens zu prüfen, ob das Meer vielleicht recht unruhig ist oder welche Naturkatastrophe mich gleich heimsuchen könnte. Es war kein Erdbeben. Es war ein Straßenköter, der den Weg auf meine Terrasse gefunden hatte und sich schwungvoll über meinen Fußboden gerieben hat, um sich seiner Flöhe zu entledigen. Deswegen hat die ganze Hütte gerumpelt. Somit war immerhin nur noch nie Angst um die bevorstehende Bauchexplosion. 3-Tage habe ich strikt an meinem Anti-Doktor-Prinzip festgehalten, am 4 Tag lag ich im Krankenhaus – bösartige Lebensmittelvergiftung. Mit irgendwelchen Hardcore-Tabletten hat sich die ganze Sache wieder in den Griff kriegen lassen. Aber doch, das war eine Situation, in der ich wirklich einsam war, Angst hatte und gerne jemanden um mich gehabt hätte.

Hattest du irgendwo eine Art Kulturschock?

Ja, ebenfalls in Sumatra. Dieses Land hat mich echt umgehauen. Am Lake Toba, einem See, der in einem erloschenen Vulkan liegt, gibt es die Insel Samosir mit dem Ort Tuk Tuk – und genau da war ich.

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Batak-Leute heißen die Menschen hier und haben echt eine verrückte Kultur. Jedes Mal, wenn jemand heiratet, Geburtstag hat oder vielleicht ein Auswanderer zurückkehrt, gibt es eine Fetzen-Feier – und zwar mitten auf der Straße. Für den laufenden Verkehr wird dann alles abgesperrt, überall werden Blumenplakate aufgehangen, andere Blüten werden durch die Luft geschmissen und alle sind bunt angezogen, tanzen, singen und erfreuen sich des Lebens.

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Es ist auch nicht unüblich, dass man einfach eingeladen wird, daran teilzunehmen , wenn man zufällig vorbeiläuft. Somit war ich zweimal bei einer Hochzeit dabei, habe Essen und Trinken bekommen und fand diese ganze Art zu feiern echt cool. An einem anderen Tag, als ich gerade einen kleinen Spaziergang gemacht habe, bin ich wieder in so ein kleines Festchen reingestolpert. Alle hüpfen rum wie die Irren, freuen sich und flippen total aus, lautes Gesinge, lautes Geschrei, wie immer alles bunt. Jawohl, dachte ich mir, Hochzeit, rein ins Getümmel und ab geht die Lutzi. Diesmal war es keine Hochzeit. Es war eine Beerdigung, mit offenem Sarg, mitten auf der Straße. Hier habe ich zum ersten Mal in meinem Leben unvorbereitet eine Leiche gesehen. Irgendwie machte keiner den Eindruck, als wäre er recht traurig. Ja, das hat mir zu denken gegeben und ich würde es tatsächlich als Kulturschock bezeichnet.

Hast du manchmal Angst, weil du alleine als Frau unterwegs bist?

Eigentlich nicht. Es gab diese dubiose Situation auf Sumatra, da war ich aber selbst dran Schuld. Im Endeffekt ist ja auch nix passiert und niemand hatte böse Absichten. Asien alleine als Frau zu bereisen ist kein Teufelswerk und auf jeden Fall einfach umsetzbar – im Gegensatz zu anderen Ländern hört man auch wenig bis gar nix Unerfreuliches in den Medien darüber. Eine weitere Situation gab es allerdings in Malaysia, Penang. Ich war mit einer Freundin auf dem Weg zu einem Restaurant, irgendwo in einer dunklen Seitenstraße. Ein Inder ist mit dem Fahrrad auf uns zugefahren, wurde langsamer und hat sich im Vorbeifahren sichtlich erfreut einen runtergeholt. Das war auch eher uncool, ich war froh, dass ich nicht alleine durch diese Straße gelaufen bin.

Was vermisst du?

Da ich mit meinen Verwandten und engsten Freunden regelmäßigen Kontakt habe, hält sich der Herzschmerz diesbezüglich in Grenzen. Aber es gibt einige andere Dinge, die mir manchmal echt abgehen, wie zum Beispiel mein Bett. Ich habe sogar ein Foto davon auf meiner Kamera und jedes Mal, wenn mir das Bett meiner 4-Euro Unterkunft mit seiner 3-Zentimeter dicken Matratze fast das Rückrat bricht, dann, ja dann, würde ich mich manchmal gerne in meine Wohnung beamen.

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Und einen eigenen Kühlschrank, den vermisse ich auch. Diese typischen Sonntagssituationen, wo ich zu Hause verkatert in meinem Bett liege und mir im 2-Stundentakt irgendwelche Snack-Platten zubereite, die ich dann im Bett, vor dem Fernseher verschlinge, ja , das vermisse ich. Vor allem wenn dann von Mama so freche Bilder wie dieses über Whats-App reinflattern:

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Und dann gibt es noch eine Vielzahl diverser Gerichte, die sich hier einfach nicht auftreiben lassen. Dazu gehören Wurstsalat mir Brot, Zigeunerschnitzel oder Currywurst mit Pommes, Schwammerbrühe mit Knödel oder Saltimbocca mit Rosmarinkartoffeln. Für alle, die sich angesprochen fühlen: Das würde ich gerne essen, wenn ich wieder nach Hause komme. Für alle, die sich nicht angesprochen fühlen: Mama und Oma, ihr seid gemeint 😉

Was kotzt dich an?

Meine Klamotten und mein Rucksack. Klar ist es cool, sich das Ding einfach draufzuschnallen und von einem zum nächsten Ort zu ziehen – nicht auszudenken, wie es wäre , einen Hartschalenkoffer durch die Pampa zu zerren. Aber er hat nun mal nur 55 Liter Fassungsvermögen und meine Auswahl an Klamotten ist massiv begrenzt, ich trage seit 3 Monaten die gleichen 6 Tank-Tops. Und die sind grundsätzlich verknittert, feucht, semi-sauber und immer auf die Größe eines Salzstreuers gefaltet, damit auch ja Platz gespart wird. Alle anderen Utensilien sind auf zahlreiche Zipper-Beutel aufgeteilt. Mir ist schon ein paar Mal fast der Kragen geplatzt, wenn ich wieder an einem anderen Ort ankomme, den Reiseverschluss nur antippe und das Ganze Ding halb explodiert und sich unmittelbar auf einen Radius von 4 Metern verteilt. Da würde ich mir manchmal meinen Schrank wünschen. Und diese täglichen Vorstellungsrunden, die nerven auch. Am Anfang hatte ich Angst, dass ich niemanden kennenlerne – da lag ich wohl total daneben. Mittlerweile kann ich meinen stupiden Vorstellungsmonolog zwecks Name, Alter, Land, Job und Reiseplan in 4 Sprachen – nüchtern, voll und im Halbschlaf. Wenn ich allerdings wählen müsste zwischen all den Unannehmlichkeiten und der Reise, dann würde ich mich für die Reise entscheiden;)

Wie läufts mit dem Geld?

Ich habe ein monatliches Budget, das ich hin und wieder um ein paar Euro überschreite. Klar, in Asien kann man ordentlich sparen, was Essen betrifft. Eine Mahlzeit = 1 Euro. Problematisch finde ich diese Sache mit den Unterkünften. Manchmal schlafe ich alleine in eine Hütte, was natürlich deutlich teurer ist als ein Bett im Schlafsaal. Allerdings gebe ich dann nebenher nicht mehr gar soviel Geld aus. Wenns am Monatsende knapp wird, wechsle ich des Öfteren in ein Meerbettzimmer. Allerdings kommt dann wieder die Situation auf, dass man dort nie allein ist und alle saufen wie die Löcher, weswegen die Ersparnis für Logie dann eigentlich für die Katz ist. Dann trinkt man nämlich mit. Ein Teufelskreis.

Veränderst du dich?

Ja, ich glaube schon. Ich habe das Gefühl, dass sich mein Blutdruck seit September massiv verbessert hat, daheim war der eher hoch. Hier laufen die Uhren sowieso einen Ticken langsamer, ich bin es mittlerweile gewohnt, mehr als 3 Stunden auf einen Bus zu warten, aber es ist egal. Und ich freue mich über Dinge, die daheim irgendwie selbstverständlich sind.

Über was denn?

Über einen Duschstrahl, der sich nicht auf 5 Quadratmeter verteilt und zusätzlich das Haar mit einem Schwung komplett erfasst und nässt, am besten mit Druck. Über Sitztoiletten in einer eigenen Hütte, bei der ich keine Oberschenkelzerrung bekomme, wenn ich diese dubiose Weibchenstellung einnehme, um ja nicht mit Bakterien verseucht zu werden.Über meine Flip-Flops, die nach einem Take-Off-Your-Shoes-Bar-Sauf-Abend noch an der gleichen Stelle stehen und ausnahmsweise nicht geklaut wurden. Über festen Stuhlgang in Kombination mit vorhandenem Klopapier.

Geht’s dir gut?

Freile gehts unsam Madl guad, würde der Österreicher auf dem Bild jetzt sagen.

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2 Comments

  • Mel sagt:

    Hey Cat, es tut so gut, sich in deinen wohl gewählten Worten zu verlieren und beim Lesen deiner Texte auf kleine Gedankenreise zu gehen. Ich finde es echt wahnsinnig toll, dass du als hübsche junge Frau einfach allein durch die Weltgeschichte ziehst und allerhand Entdeckungen machst. Außerdem schreibst du so wunderbar authentisch, so mitreißend spannend. Hast du eigentlich schon überlegt, dich als Autorin zu versuchen? Kam mir grad spontan, die Idee…

    Na jedenfalls wünsch ich dir auch weiterhin von Herzen eine wundervolle Zeit voll Glücksmomente und Sternenstunden mit ordentlichen Klos, Duschen und gemütlichen Betten!! 😉

    Allerliebst, die Mel

    • Cat Cat sagt:

      Liebe Mel,

      vielen Dank für deinen schönen Kommentar, was hab ich mich gerade gefreut 🙂 Ja, die Sache mit einem eigenem Buch steckt tatsächlich irgendwo im hintersten Eck meines Ideen-Pools, aber ich glaube, da muss ich erst noch ein bisschen fleißiger werden – ich sage Bescheid, wenns soweit ist;) Liebe Grüße aus Thailand,
      Cat

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