The Washington against Guatemala Experience

Seine glitschigen Noppen saugen sich in einer Geschwindigkeit an meiner Wade fest, die mir das Blut in den Adern gefrieren läßt. Zeitgleich winden sich die lila-farbigen Tentakeln langsam, aber sicher um mein gesamtes Bein, während dieser Bastard von Tintenfisch versucht, mich in die Tiefe zu ziehen. Nicht mit mir, denke ich, spanne all meine Muskeln an und versuche, mich mit letzter Kraft aus den Fängen des Meeresfeindes zu befreien. „Hör auf dein Gesicht so zusammenzukneifen, du siehst aus wie 45“, höre ich meine Freundin Lisa rufen.

Schweißgebadet wache ich auf. Wie 45? Bitte nicht. Warum zur Hölle träume ich so einen Bullshit? Bestimmt, weil ich gestern Abend Unfug mit meinem Tintenfisch-Taco getrieben habe!

War sehr lustig & sehr lecker!

Oder aber schlichtweg zu wenig gekifft. Da spinnt man sich ja auch ganz gerne mal die wildesten Geschichten im Kopf zusammen! Ganze sieben Tage sind wir jetzt in Guatemala, und wenn wir auf der Hinreise nicht komplett abgeschmiert wären, wären es sogar schon zehn! Aber von vorne.

Washington

Es gibt zwei Gründe, warum ich unbedingt mal nach Guatemala wollte: Zum einen habe ich vor geraumer Zeit ein hammergeiles Video entdeckt, das im Eagles Nest am Lake Attitlan aufgenommen wurde. Ein Video, auf dem ein bunter Hippiehaufen becherweise hochkonzentrierten Cacao trinkt & sich sonst was schmeißt, um danach bei richtig guten Beats solide einen aufzusteppen – und das mit einem super Ausblick quer über den See und einer tollen Vulkan Landschaft! Klasse! Also sowas gefällt mir schon auch, da kann man dann gerne mal 10.000 Kilometer anreisen.

Zum anderen sollte es Guatemala werden, weil das der einzige bezahlbare Flug an Weihnachten für unter 1000 Euro war. Wenn man im Nachhinein zusammenrechnet, was mich die Anreise letztenendes tatsächlich gekostet hat, hätte ich auch easy nach Hawai, Fidji oder Papete fliegen können. Aber gut. 10 Stunden dauert der Flug von München nach Washington und wenn man danach nur kurz umsteigt und anschließend im Paradies landet, kann man diesen Flug auch komplett durchzecht & unausgeschlafen antreten. So wie wir!

Wenn man allerdings direkt nach der Landung einmal durch den kompletten Airport hetzen muss, um den Anschlussflug zu schaffen, der wegen Winter-Wetterchaos jedoch schon längst gestrichen wurde, dann ist das ziemlich blöd. Noch ein bisschen blöder ist es, wenn auf halber Strecke irgendwo am Flughafen das Gepäck stecken bleibt und fortan nicht mehr ausgehändigt wird. Wie schade! Dass wir ganze drei Tage hier bleiben würden, hätten wir zu diesem Zeitpunkt wohl sicher noch nicht gedacht.

Tschüss Gepäck, Hallo Washington!

Gedanke Nummer eins: Scheißegal, Drink organisieren, völlig gelassen ausharren und den nächsten Flieger nach Guatemala City nehmen, der geht sicher in spätestens drei Stunden!

Geht er nicht.

Wie der lösungsorientierte Worst-Case-Computer am Flughafen verraten hat, geht der nächste Flug erst in drei Tagen, und zwar über einen schnittigen Umweg via Los Angeles. Hä? Na in drei Tagen wollen wir nicht erst weiter, und schon gleich nicht so umständlich! Wie schnell man seine Ansprüche zurück schraubt, wenn man erstmal den Ernst der Lage erkennt, haben wir dann gemerkt, als wir uns in der Schlange am Schalter angestellt haben, an dem das komplette Chaos ausgebrochen ist – und das an Weihnachten! Kreidebleiche Menschen, heulende Kinder, verzweifelnde Reisende – gerade noch so, dass sich niemand verkloppt hat. Zwar hatten die United-Pfeifen für einige Menschen diverse Flüge am nächsten Tag parat, doch die waren so dermaßen für die Katz, das man das eigentlich echt nicht machen konnte. Zum Beispiel von Washington über Nashwille, Chicago und Houston weiter nach Guatemala City. Das ist doch schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt! Aber immer noch besser als eine Lösung für eine junge Vierertruppe aus Kanada: Die haben eine Stunde am Schalter diskutiert und wurden dann einfach zurück nach Kanada geschickt – ohne jemals Urlaub in Guatemala gemacht zu haben! Gleiche Scheiße für ein Paar aus Brüssel: Die sind direkt nach Belgien zurück geflogen. Nun wurden wir  in der Not nervös und erfinderisch. Was ist, wenn uns dieser Bastard keine adequate Lösung präsentiert?

Hier unsere Ideen:

  1. Wir schiessen uns ein Auto, scheißen auf Guatemala und düsen runter nach Miami!
  2. Wir verlangen von der Reiseversicherung das Geld zurück und buchen was komplett Neues in Südamerika, Kolumbien oder so. Und von dort aus wieder zurück.
  3. Wir besuchen meine Freundin Noelia auf Hawai.
  4. Wir besuchen den Guru in Los Angeles, den ich letztens in Portugal kennen gelernt habe.

Also kurz und knapp: Wir waren wirklich tolerant und offen für allerhand Ziele und Lösungen am gleichen Tag oder Folgetag! Doch keine dieser Ideen hat aus verschiedensten Gründen funktioniert, wirklich gar keine! So haben wir am Ende diese Perle gehoben: Drei Tage in Sommerklamotte in Washington bei -14 Grad cornern, um dann mit einer kolumbianischen Airline via Costa Rica nach Guatemala zu fliegen! Kein Problem für die Boomer!

Dass wir an Weihnachten nicht am Strand waren, war jetzt nicht der Hit, aber auch kein Genickbruch. Dass der erste Blick am ersten Urlaubstag der aus dem Fenster eines Ami-Flughafenhotels ist, wo ein Mann auf einem spiegelglatten Parkplatz stürzt und währenddessen eine riesengroße Eiswolke ausatmet, war an Ironie schwer zu übertreffen!

Die weihnachtliche Flucht aus dem kalten Deutschland also.

Wusstet ihr, dass bei den Amis am 25.12 nicht mal das Tankstellenrestaurant geöffnet hat? Dass man dann, wenn man Heimatlos ist, so wie wir, nicht an einer langen Weihnachtstafel sitzt, sondern am heiligsten Tag des Jahres abgepackte Muffins, Bananen und einen Sixpack aus der Tanke zum Frühstück konsumiert? Dass man zum Aufwärmen in das einzig offene Restaurant, MC Donalds, muss, wo nur Obdachlose rumhängen, die Kippen rauchen und deswegen von den Bullen gepisackt werden? Also ich habe wirklich nicht gedacht, dass ich je in meinem Leben nach Washington komme, und falls doch, auf jeden Fall nicht unter solchen Umständen. War auf jeden Fall eine besondere Erfahrung! Besonders beschissen!

Was bin ich froh, dass wir es mit drei Tagen Verspätung nach Guatemala geschafft haben. Heute sitze ich am Strand, an der Pazifikküste, in El Paredon und lache mir ins Fäustchen, weil es hier gar so schön ist. Vielleicht hatten die anderen Trottel Zuhause ein tolleres Weihnachten, dafür sind wir nun im Paradies.

Ein verschlafenes Surferörtchen, wo es über all nach Weed riecht und alle den ganzen Tag kiffen, relaxen, surfen und sich sonnen. Hängemattenlifestyle at its Best! Hier fühl ich mich wohl, hier mag ich gern bleiben. Es gibt Cevice in allen Varianten, Farben und Formen, für mich mindestens einmal pro Tag. Heute entscheide ich mich für das „Mixed Ceviche“ mit dreierlei Fisch, dazu rote Zwiebeln, eine scharfe, grüne Soße und Cracker!

Lecker!

Danach geht’s direkt zurück an den Strand, in den Sand, nah ans Wasser, Zeit für ein Schläfchen. Kurz bevor meine Äuglein in der gemütlichen Hängematte zufallen, nehm ich mir vor, gleich morgen einen weiteren Blogpost zu schreiben. Einen über die Cacaotrinkenden Hippies am Lake Attitlan! Doch noch während ich diesen Gedanken zu Ende denke, ziept etwas an meinem Fuß….

Ich blicke nach unten und mich trifft fast der Schlag. Ein riesengroßer, rosaroter Shrimp bäumt sich vor mir auf, schmeißt den Kopf in den Nacken, sein schelmisches Grinsen verwandelt sich in ein bestialisches Monsterlachen. Mit einem Ruck schnapp er nach Vorne, fletscht zunächst seine spitzen Teufelszähne und beißt mir dann in einem Zug den kompletten großen Zeh ab!

Fortsetzung folgt…