Gegensätze ziehen sich an

Zwanzig Jahre Freundschaft. Das klingt für mich wie: Wir sind alt. Einfach nur verdammt alt. Anlässlich dieses erschreckenden Jubiläums hat es mich in die neue Wahlheimat meiner Lieblings-Freundin verschlagen. Rostock. Erinnert mich stark an Cape Reinga in Neuseeland: Der Arsch der Welt. Aber wir schweifen ab. So sitzen wir, tagein, tagaus, und ziehen Bilanz. Bilanz über eine 20-jährige Freundschaft, von denen die beiden Prinzessinnen unterschiedlicher nicht sein könnten. Eine Krone gebührt jedoch jeder Einzelnen.

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Wir starten die Geschichte mit einem Rätsel und kucken mal, was dabei rumkommt:

Die Eine schlendert am Tag der Abiprüfung gemütlich und bestens vorbeitet in die Schule und zieht das Ding durch. Die Andere übergibt sich aus Angst auf dem Weg mehrfach und ist über Wochen hinweg farblos im Gesicht. Beinahe einen Psychologen gebraucht.

Die Eine fährt mit einem 1er BMW in ihre schicke Reihenhaussiedlung vor und tuppert ihre Wurst ein. Die Andere steht fassungslos vor ihrem 20 Jahre alten Polo und begutachtet eine riesengroße Öl-Lache. In ihre Chaos-Altbauwohnung muss sie nun leider laufen – die Wurst hat sie beim Metzger liegen lassen.

Die Eine ist zu doof, eine Tomatensoße zu kochen, die Andere unfähig, ein Cerankochfeld zu bedienen. Macht aber nix. Denn die Eine hat einen Italiener geheiratet und wird niemals eine Tomatensoße kochen müssen. Und die Andere wird – falls sie weiter so rumstöpselt – niemals ein Cerankochfeld besitzen. Easy-Peasy.

Who is who?

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Tauschen? Wollen wir nicht. Niemals. Never ever. Ich nicht mit ihr und sie nicht mit mir.

Reden wir übers Reisen. Wenn ich von meinen lustigen Plänen erzähle, stoße ich meistens auf Fassungslosigkeit. Wo ich denn dann schlafen würde, werde ich meistens gefragt. Ich weiß es nicht. Und wie es danach weiterginge. Auch das geht meistens mit einem Überraschungseffekt einher. Sie könnte das nicht. Nach eigener Auskunft würde man ihr bei der Ankunft am Bangkoker Flughafen ohnehin sofort eine Niere klauen und sie dann verschleppen, bis sie irgendwann mit aufgeschlitztem Bauch in einer Eisbadewanne erwacht. Ich kenne sie schon lange und sage: gar nicht mal so abwägig.

Aber dass sie es schon nach Hawai geschafft hat und ich nicht, das verstört und ärgert mich zugleich. Da muss ich handeln, zeitnah.

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Ja, auch beim Thema Reisen sind wir grundverschieden. Also ich würde ja gern demnächst mal nach Goa, in der Hoffnung, dass mir eine Kuh als Zeichen der Anerkennung neben den Teller scheißt. Das wär der Knaller. Außerdem würde ich gerne in einer kleinen 5-Euro Hütte schlafen- dass die Dusche ein Eimer und das Klo ein Loch wäre, wäre mir egal. Und vielleicht irgendwas mit Yoga und wilden Psytrance-Parties. Ja, doch, das würde mir sehr gut gefallen.

Für sie wäre dieser Trip definitiv der sichere Weg in die Hölle. Sie würde tausend Tode sterben. Aber immerhin müssen wir uns keine Sorgen machen, dass sie sich aus Versehen dort hin verläuft – sie weiß nämlich nichtmal ansatzweise, wo Goa überhaupt ist.

Ihr Traum ist gerade eine Reittour durch Island. Weiß auch nicht, wie die immer auf solche exotischen Sachen kommt. Als ich gestern von diesem Plan unterrichtet wurde, war mir ein wenig das Gesicht entgleist. „Spinnst du? Einen ganzen Urlaub auf einem Pferderücken? Du hast nen Knall! Im Leben würde ich bei so einem Käse nicht mitmachen.

Erzfeind Pferd + kaltes Land = HASS

So wundert es nicht, dass wir noch nie eine gemeinsame Fernreise bestritten haben. Ein bisschen Gardasee in unserer Kindheit, ja, das war drin. Über den Gardasee kann ja auch wirklich niemand meckern. Ja, die Kindheit. Da haben wir uns gewaltig daneben benommen. Reden wir nicht drüber. Fotos gibt es keine, Beweismaterial vernichtet. Die würden uns doch noch heute einsperren.

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Die Sache mit der Hochzeit war auch so ein Knaller. Ich, als Trauzeugin, vorne am Altar, Fürbitten vorlesend. Ich hatte schon irgendwann mal darüber berichtet, dass mich in diesem Moment eigentlich der Blitz hätte treffen sollen. Hingepasst hab ich da irgendwie nicht. Aber ohne mir selbst auf die Schulter kopfen zu wollen: Ich war eine grandiose Trauzeugin! Auch wenn es vorab vielleicht niemand erwartet hätte. Ich weiß noch, als ihr Mann kurz vorher auf mich zugekommen ist.

„Du. Heute bitte ein bisschen vorsichtig mit dem Alkohol. Keine Eskalation. Wir heiraten.“

JAHA! Eine völlig gerechtfertigte Ansage, aber eins verrat ich trotzdem, auf die Gefahr hin, dass es Krieg gibt: Wir haben uns gemeinsam hinter der Bar versteckt und den Schnaps aus der Flasche gesoffen!! So. Bin nämlich nicht immer nur ich die böse!

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Wir setzten das Rätsel fort. Wer raffiniert ist, kennt die Lösung ohnehin schon.

Die Eine sitzt am Sonntagmorgen mit ihrem Mann beim Frühstück und überlegt sich, ob sie das Ei heute weich oder mittelweich will. Die Andere tanzt zeitgleich zu harten Techno und verabschiedet sich somit von der Option auf einen gemütlichen Sonntag.

Die Eine kriegts gebacken, die Andere bäckt höchstens einen Kuchen und der wird noch nichtmal gut.

Die Eine war als Kind voll anti. Die Andere ist nun voll anti.

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Um meiner Geschichte den nötigen Feinschliff zu geben, habe ich mir für das Ende ein Zitat ausgedacht.

„Möge der stürmische Rostocker Wind unser Haar zerbersten und der wilde Sand unsere Auge zum Glühen bringen, sollen uns weiterhin 800 Kilometer voneinander trennen – wir lassen uns nicht ärgern, wir kriegen das schon hin. Keep on rocking. Auf die nächsten 20 Jahre!“

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