Falls ich euch eines raten darf: Studiert Medizin. Dann werdet ihr Arzt. Oder macht Jura. Dann werdet ihr Anwalt. Oder einen Bachelor in Soziologie. Dann könnt ihr euch eigentlich auch gleich selbst in den Fuß schießen. Aber zuvor den Wein kalt stellen.
Also mir ist mein Studium peinlich. Eine Geisteswissenschaft also. Eigentlich hätte man sich bereits bei diesem seltsamen Überbegriff denken können, dass das vielleicht irgendwie komisch ist. Ein zweites Fach habe ich auch noch studiert, aber das war eher ein Versehen. Bei der Einschreibung das Häkchen falsch gesetzt. So richtig studieren wollte ich irgendwie nie. Ich glaube, ich wollte immer nur das lustige Drumherum. Feiern. Reisen. Schlafen. Hat alles prima geklappt. Ich war eine tolle Studentin.
Dass das später mit so einer brotlosen Kunst trotzdem mal schwierig werden könnte, hat da noch niemanden interessiert. Aber so schlimm ist es auch jetzt nicht. Man kann sich da schon gut durchwursteln. Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit. Wo ich mich schon überall durchgewurstelt habe – ich darf gar nicht darüber sprechen! Doch irgendwie ist es mir damals (schreckliches Wort) nach meinem fünften unbezahlten Praktikum gelungen, in einem richtig anständigen Unternehmen unterzukommen. Und nun, 3 Jahre später? Es läuft darauf hinaus, dass ich mich noch mal neu entscheiden soll. Nochmal nachdenken, wohin das denn eigentlich alles führen soll. Eigentlich sollten die Weichen nun gestellt sein, aber irgendwie ist alles so wie immer: Ich stehe mit beiden Beinen auf vielen Wolken. Ich komme nicht an und am Ende bin ich dann auch noch verrückt. Chin chin.
Die Grundidee nach der Reise war ja die, eine extrem gut bezahlte, unfassbar erfüllende, versicherungspflichtige Vollzeit-Stelle zu finden. Bestenfalls in einem Unternehmen, bei dem Vollzeit 35 Stunden bedeutet. Die Grundidee wurde in ihren Grundfesten erschüttert. Die Grundidee funktionierte nicht. Und wenn irgendwas gar nicht funktioniert, dann muss man eben ein bisschen rumexperimentieren. So wie ich, in den letzten 2 Monaten. Die letzten drei Wochen waren wild. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Ja, das trifft es am besten. Ich weiß auch nicht was das alles soll.
Wir fassen zusammen:
Nach der x-ten Bewerbung divers war es soweit: Ein Stellenangebot. Für 3 Monate. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten? Gibt es keine. Aber bitte schnell nach München ziehen, 2 Wohnungen unterhalten, bei einem Gehalt, das eine regelmäßige Nahrungsaufnahme nicht mal im Ansatz gewährleisten könnte. Konsum jeglicher Art hätte ich einstellen müssen und auch mein Sparbuch hätte ich gebraucht, um diesen Job finanzieren zu können. Das alles bei einem TV-Sender, von dem man nicht weiß, ob, wie und wo man ihn empfangen kann. Für eine Tätigkeit, für die auch ein Abschluss auf der Baumschule ausgereicht hätte. Ich wollte ja eigentlich immer gerne zum Fernsehen. Aber um jeden Preis? Nein. Ich habe das Angebot abgelehnt.
So habe ich weiter überlegt. Musste ich nicht lange, denn glücklicherweise hat mein Telefon geklingelt – das Jobangebot des Jahrhunderts stand vor der Tür. Irgendwer hatte irgendwo ein paar Infos zu meinem Lebenslauf im Internet gefunden und konnte mir völlig euphorisiert dieses Angebot unterbreiten: eine anerkannte Ausbildung zum staatlich geprüften IHK-Finanz- und Versicherungsdienstleister.
Und alle so: Hä?
Ich war irritiert und verwirrt zugleich. Was hätte ich denn da machen sollen? Beispiel: Eine lustige, kleine Familie kauft sich für ihre Garage ein elektrisches Tor. Als Außendienstmitarbeiter wäre es dann meine Aufgabe, die entsprechende Versicherung für dieses neue Tor anzudrehen. Und das alles als Ausbildung. Bekomme ich dann etwa wieder ein mickriges Ausbildungsgehalt? „Nein Frau Kuhl, das Gehalt, das bestimmen Sie ganz allein!“ Was bin ich doch für ein Glückspilz. Ich habe abgesagt.
Ich könnte ja zurück in meinen alten Job. Zu letzt PR-Trainee, logische Konsequenz wäre dann eine Stelle als PR-Referentin/Texterin/Beraterin. Das wäre wenigstens ein Job, der gewaltig was her macht. Nun. Die eher konservativen Unternehmen reißen sich nicht unbedingt um eine Person, die monatelang ihren Roller durch Südostasien geschoben hat. Die zurück kommt und direkt wieder nach Schweden, Ungarn und Polen abhaut. Die im Vorstellungsgespräch direkt nachfragen muss, ob sie zu Weihnachten vielleicht frei haben könnte. Da steht nämlich Thailand an. Ich glaube, den konservativen Unternehmen wäre sogar eine Frau lieber, die jeden Moment ein Kind rauspresst – aber bloß keine Reisende. Es gibt auch noch die coolen, hippen Agenturen. Auch da war ich im Vorstellungsgespräch – mit Angebot auf eine Vollzeitstelle, allerdings als Praktikantin. Danach keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Nur ganz vielleicht, falls jemand kündigt, stirbt oder wie in Fall 1 einen kleinen Scheißer in die Welt setzt. Praktika sind grandiose Möglichkeiten, in das Berufleben zu schnuppern. Als Abiturient. Als Student. Als Absolvent. Ich möchte nicht mehr schnuppern. Hab doch genau das gleiche schon mal gemacht. Ich bin 28 und kann kein Praktikantengehalt mehr bewerkstelligen. Mein Vermieter wird es mir danken.
Ich.will.das.alles.nicht.
Ich war so glücklich, als direkt nach der Absage wieder ein Anruf auf meinem Handy einging. Diesmal hätte ich auf selbständiger Basis Personal in einem Wellnesshotel einstellen sollen. Auch hier kreisten die Fragezeichen um den Kopf. Habe ich ja so in dem Stil eigentlich auch nicht gelernt. Ein Fahrt nach Zwickau, ein 1-tägiges Training und eine neue Steuernummer hätten es möglich gemacht. Interessiert habe ich mir die Website des Unternehmens angeschaut. Meine Website ist auch nicht unbedingt professionell, aber bei dieser Website war eines sofort klar: Es musste sich um ein Wellnesshotel im Rotlichtviertel des Nürnberger Frauentorgrabens handeln. Ich habe abgesagt.
Als ich zuhause mein Uni-Zeugnis rausgekrammt habe, ist mir der Pädagogik-Stempel ins Auge gesprungen. Stimmt, da war was. Das war mein Zweitfach, das ich oben im Text noch geschickt kaschiert hatte. Mal in diese Richtung kucken? Ach, warum eigentlich nicht. Mit Vitamin A-Z aka bester Freund, der mir schnell eine Woche Probearbeiten organisiert hat, gings letzte Woche los. In einer Wohngruppe für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. Ganz ehrlich? Das war definitiv mit Abstand die erfüllenste Tätigkeit, der ich in den letzten Jahren nachgegangen bin. Es war schön. Ich habe geholfen. Deutschunterricht für die Analphabeten, Englischunterricht für die, die in ihrer Heimat schon fast fertig waren mit der Schule. Ich hatte Spaß mit meinen Kindern aus Afghanistan, Syrien und Irak. Azizulla, Ramatulla und Alireeza hatten Spaß mit mir. Gekocht haben wir wie die Weltmeister. Das afghanische Halal-Fleisch war unfassbar gut. Doch wer meinen Blog kennt, kennt auch die Eigenarten meines Darmtrakts. Er schreit laut nach Hilfe und ist verzweifelt. Ob ich das nun für immer machen kann? Ich weiß es noch nicht. Es steht zur Debatte.
Als ich nach der Arbeit mit meinem alten Polo auf die A3 aufgefahren bin, leider Richtung Würzburg anstatt Nürnberg, musste ich weinen. Herr XY, mein Unternehmensberater (für das Unternehmen, das ich nicht besitze. Noch nicht) , hatte just in diesem Moment angerufen und musste sich meine gesamte Lebensgeschichte anhören. Arme Sau.
Ziemliche viele Gedanken in den letzten Wochen. Zu viele. Was bin ich denn nun? PR-Frau? Praktikantin? Personaler? Versicherungsvertreter? Pädagogin für Flüchtlinge? Oder vielleicht eine Selbstständige? Dazu habe ich ein paar extra Takte vorbereitet, die gibt’s nicht heute, die gibt’s morgen. Oder irgendwann anders.
Was machen wir denn nun mit mir? Die Bachelorette ist ein wenig durcheinander.
Ich hätte ja noch ein paar Ideen, die ich auch umsetzen könnte, die allerdings primär mit Geld ausgeben anstatt Geld verdienen zu tun haben. Würde ja dann wieder zu dem Studium passen. Ich schmeiß das jetzt mal alles wild in den Raum:
- Mit einem Arbeitsvisum nach Australien gehen und irgendwas Lustiges arbeiten. Vor Ort irgendeinen coolen Surfer finden, der mit mir ein Hostel am Strand aufmacht. Bleiben.
- Mit einem coolen Bus durch Südamerika fahren und bestenfalls einen kolumbianischen Straßenhund adoptieren. Vielleicht vor Ort heiraten. Einen reichen Kokaindealer.
- Irgendwo in Thailand mit irgendwelchen Bloggern rumhängen und überwintern. Nochmal in Laos, Sumatra oder Bali rumturnen. In einer Hängematte lustige Texte für den Blog schreiben und über Freelancer-Portale divers soviel Geld verdienen, dass es wenigstens für Massage, Pad Thai und Mango-Shakes reicht. Könnte funktionieren. Alles kann, nichts muss.
- Die Augen zu halten und so tun, als wäre ich unsichtbar. Dann fügt sich bestimmt alles von selbst.
Oh, oh, Cat – wie wärs denn mit einem Job als „Chaos-Queen“? Doch ich bin überzeugt, dass Du es irgendwie schon hinkriegst! 🙂
Such mir einen Job als Chaos-Queen raus und ich bewerbe mich sofort! Ich spüre es jetzt schon, das wird ein voller Erfolg 😉
Hallo Cat,
hihi, ich musste sehr lachen. Als Ex-Germanistik / Journalismus Studentin mit PR Volontariat habe ich vieles wiedererkannt. Heute bin ich mega glücklich ein tolles Team gefunden zu haben, in dem ich jobmäßig vieles ausleben kann. Zwar bleiben für die Reisen nur 30 Urlaubstage. Aber ein paar Berufstrips sind zum Glück auch drin 🙂
Ich drück dir die Daumen, dass es sich findet und freue mich auf weitere unterhaltsame Zwischenberichte dieser Art 🙂
Viele Grüße
Tanja
Hi Tanja,
gut zu wissen, dass eine mit dem ähnlichen Werdegang ihren Deckel gefunden hat – dann klappt das bei mir bestimmt auch irgendwann. Wobei das mit den 30 Urlaubstagen echt hart klingt, bin doch reisesüchtig 😉
LG Cat
Hallo Cat,
und wiedermal hast Du mich zum Lachem gebracht! 😀 Ich sehe, dass die Verwirrtheit immer noch ein wenig da ist?? Skype Call?? 😉
Und was heißt hier überhaupt Freelancing reicht nur für eine Massage und Mango-Shakes? Natürlich werde ich reich damit… Tze… 😉
Liebste Grüße,
Corinna
Mal kucken wie weit wir mit diesem Freelancing kommen – Hauptsache, die Flüge sind gedeckt, der Rest fügt sich von selbst 😉 Skype? Immer gerne!
LG
Ein schaurig-schöner Bericht mit hohem Identifikationspotential 😉
Es freut mich sehr, wenn sich auch andere Personen mit dieser dubiosen Situation identifizieren können 🙂
Oh oh, das kann ja noch heiter werden.. Oder zumindest amüsant… für uns als Leser. 🙂
Halte uns auf dem Laufenden wie es weitergeht 🙂 Bin gespannt, ob dein zukünftiger Job komplett Branchenfremd oder zumindest ein bisschen was mit deinem „Erlernten“ zu tun hat. 🙂
LG
Ich bin auch schon gespannt, insgeheim poker ich ja auf den Job als Senior Beach Inspector, das wär der Knaller 🙂
Hey Cat, bin heute zum ersten Mal auf Deiner Seite. Sehr coole Berichte!! 🙂 Zu Deinem Beitrag oben „Was machen wir denn nun mit mir“ –> Punkt 1-3 wäre ich sofort dabei! 🙂 Bin grade am überlegen wo ich überwintere. Kann von überall aus mein Job ausüben, is ein kleiner Vorteil 😉 War bis jetzt in Costa Rica und Panama, April/Mai, Portugal Rund Trip an die besten Surfspots!! Also, Keep on traveling und vielleicht sieht man sich ja mal irgendwo 🙂 Lg Andy
Hi Andy,
also überwintern is auf jeden Fall eine feine Sache, aber du bist ganz schön spät dran? Ab in den Flieger mit dir, also wenn du eh von unterwegs arbeiten kannst, dann würde ich keine Sekunde mehr zögern 😉
Liebe Grüße aus Thailand,
Cat