Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende.

Heute vor zwei Jahren hat zum letzten Mal mein Wecker geklingelt. Es war der 31.8.2014, 06:40 Uhr, als ich mich mit bebender Unterlippe, dicken Augenringen, ungemütlichen Scheiß-Pumps und einer asozialen Laune ins Büro geschleppt habe. Zur Hölle mit den Pumps!

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Ich hatte damals Gleitzeit und mir erschien es schon immer sinnvoll, als Erste um Punkt 06:59 Uhr einzustempeln. Eine Minute vor dem Chef. Somit konnte ich grundsätzlich um 15:31 Uhr gehen. Eine Minute nach dem Chef.

Ich bin ein Fuchs.

Ich fühle mich ein bisschen, als wäre es gestern gewesen, als ich meinen Rucksack gepackt habe und knappe zwei Wochen später im Flieger saß. Idee war es gewesen, mit dem Rucksack durch die Gegend zu jetten, Spaß zu haben.

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Geheimer Hintergedanke dabei war, am anderen Ende der Welt einen geilen Typen aufzureissen, der sich mit mir in irgendeiner Strandhütte niederlässt – er Surflehrer, ich Irgendwas. Hat so in der Form nicht hingehauen und als ich letztes Jahr im Mai mit leerem Konto und völlig desillusioniert zurück gereist bin , war ich ein bisschen erbost. Ich hatte fürchterliches Heimweh und knappe drei Tage nach meiner Ankunft entsetzliches Fernweh. Das sind die Momente im Leben, in denen man sich selbst gewaltig im Weg steht.

Das ist nicht gut.

Könnt ihr euch noch an meinen nervenaufreibenden Sommer letztes Jahr erinnern? Man, war das doof. Ein Sommer, in dem ich gewillt war, was Sinnvolles zu arbeiten, aber nichts bekommen habe. Die Lücke im Lebenslauf kommt halt meist doch nicht so gut an.

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Obwohl ich in den darauf folgenden Monaten auch gut unterwegs war, war ich unzufrieden. Irgendwas hat mir grundsätzlich die Luft abgeschnürt, ich denke, es war der Mindfuck zwischen: „Shit, ich brauch dringend wieder nen guten Job, sonst glotzen alle doof“ und „Scheiß drauf, man ist nur einmal jung, am Besten gleich wieder losreisen“. Das war zwar ein netter Sommer, doch der Kopf, der hat darunter gelitten.

Gut war da gar nix.

Verzweifelt wie ich war, kam ich nicht umhin, eine Kartenlegerin zu besuchen. Solche Leute ziehen ihr Geld daraus, nervlichen Fracks einen imposanten Weg in die Zukunft zu zeigen. „Ich sehe eine große Reise, auf der du auch Geld verdienen kannst“, so die Idee der völlig abgedrehten Frau. Aha. Und ich sehe eine Esoterik-Trulla, die mit einem Räucherstäbchen vor mir rumwedelt und mir 50 Euro aus der Tasche zieht! In your face!

Wie Recht sie hatte.

Knappe vier Wochen später hatte ich meine hauptberufliche Selbstständigkeit beim Finanzamt angemeldet und in meinem ersten Monat sagenhafte 111,14 Euro erwirtschaftet. Momente im damals eh schon tristen November, in denen ich morgens erstmal starr im Bett liegen geblieben bin und mich gefragt habe, wie ich jemals wieder auf einen grünen Zweig kommen soll. Das war nicht gut.

Und dann ging alles ganz schnell. Piff, Paff, Peng.

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Das Casting. Die Niederlage. Die 1-Tages-Depression. Der Freelancer-Vertrag bei Beach Inspector und einem Online-Magazin. Die Thailand-Reise, die sechs Wochen dauern sollte und erst nach sechs Monaten beendet wurde. Auf einmal hatte sich alles gefügt, ich hatte einen Job, war den ganzen Winter in der Sonne und habe mich am Leben erfreut.

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Jetzt, wo ich wieder zu Hause bin, grüble ich häufig nach. Aber böse Gedanken wie im letzten Jahr, die bleiben nun aus. Ich bin zufrieden und glücklich, doch ein Kopfmensch, der werde ich immer sein. Reich werde ich mit meinen derzeitigen Jobs wahrscheinlich nicht. Für einen für mich geilen Lifestyle reicht es allerdings vollkommen aus. Will ich überhaupt reich sein? Nö, eigentlich nicht. Was machen die ganzen Reichen mit ihrer Kohle, für die sie sich den Arsch aufreissen mussten? In den Urlaub fahren, wenn sie nur die Zeit dazu hätten.

Merkt ihr was?

Ich habe gelernt, Abstriche zu machen. Dies gilt für sinnlose Ausgaben wie Klamotten, überteuerte Kosmetik, sinnloser Haushaltskram. Ich fahre noch immer das gleiche Auto wie mit 18 und habe das gleiche Fahrrad, das ich schon mit 15 besessen habe. Wobei Zweiteres seit letzter Woche nicht mehr so ganz stimmt. Für den kleinen Zigeuner, der sich Zutritt zu unserem Haus verschafft hat, um mein Bike aus dem Hinterhof zu entwenden: Schmor in der Hölle, hoffentlich stürzt du und brichst dir beide Beine! Seit heute habe ich ein neues Rad. Gekauft hab ich das nicht. Geklaut auch nicht. Wer sparen will, regelt solche Sachen im Südstadt-Downtown-Style: Freunde informieren, irgendein altes Rad aus irgendeinem Keller abholen, Kette Ölen, Reifen aufpumpen, mit kaputter Gangschaltung abfinden, fertig.

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Ob ich mit meinem Freelancer-Dasein irgendwann auf die Schnauze fliege? Das ist durchaus möglich. Es heißt, im zweiten Jahr fliegen fast alle Selbstständigen gewaltig auf die Fresse. Wenn ich falle, falle ich weich. Entweder in mein Bett in Nürnberg oder in eine coole Hängematte in Thailand.

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Vielleicht muss der Wecker dann wieder klingeln. Aktuell glaube ich das nicht, denn mir scheint, als hätte das Universum noch Großes mit mir vor. Geplant ist noch nichts Neues, Optionen gibt es viele. Vielleicht gewinne ich den Amazon-Kindle-Schreib-Talent-Wettbewerb und hol mir die Kohle. Insgeheim liebäugle ich auch noch damit, irgendwann mal als Sidekick mit Joko und Klaas beim Duell um die Welt mitzufliegen. Leider aktuell nur heftige Tagträumerei, aber cool wär das schon.

Opa hat letztens geschimpft. „Wann machst du denn jetzt endlich mal was Gescheites?. Du hast an der Uni studiert!!!“ Ja, das stimmt, und ich finde, ich mache sehr wohl was Gescheites! Die Ansichten sind hier von Generation zu Generation eben anders. Sowas hätte es früher einfach nicht gegeben. Ich seh das so: Wenn ich die Uni-Nummer nicht gemacht hätte, hätte ich damals diesen guten PR-Job nicht bekommen. Ohne den langweiligen Job wäre es mir nie in den Sinn gekommen, das Land zu verlassen und einen Blog zu eröffnen. Ohne die Auslandserfahrung und den Blog wäre ich bestimmt nicht ins Finale von Beach Inspector gekommen. Ohne dieses Finale hätte ich niemals diesen tollen Vetrag bekommen, mit dem ich heute einen Teil meines Geldes verdiene. Ein Vertrag, der es mir ermöglicht, ein bisschen im Ausland zu arbeiten und zwischendurch mal hier zu sitzen und an anderen Ecken zu feilen. Wenn man es sich richtig dreht und wendet, könnte man sagen: Wäre ich nicht zur Uni gegangen, würde ich jetzt , an diesem sonnigen letzten Augusttag, nicht im Park sitzen, das Wetter genießen und diese Zeilen schreiben. Dann würd ich grad vielleicht im Büro sitzen, und morgen würde dieser blöde Wecker klingeln. Danke, Uni!

Am Ende wird alles gut. Ist es nun gut? Ich denke schon. Ist es das Ende? Gewiss nicht. Zeit für ein Tänzchen. Tschüss!

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